Alawin befindet sich in Havena, wo er als junger Mann an der Akademie das Kämpfen lernte und den Kriegereid auf das zerbrochene Schwert des Heiligen Reochaid schwor. Im Traum durchlebt er erneut die Abschlusszeremonie der Akademie die traditionell im Rondratempel gehalten wird. Die Tempelvorsteherin, Arabel von Arivor, die Meisterin des Bundes der Senne West, leitet die Zeremonie und nimmt ihm feierlichen den Eid ab in dem er bei den Zwölfgöttern dem Kaiser, dem Fürsten und Albernia die Treue schwört und Ehre, Ritterlichkeit, den Schutz der Schwachen und Wehrlosen, sowie Mut und Wahrhaftigkeit gelobt.
Alawin’s Träume drehen sich nach den Erinnerungen an den Abschluss seiner Kriegerausbildung auch um einige seiner Jugendträume in denen er Heldentaten vollbringt um seiner Angebeteten zu gefallen.
Als Alawin morgens aufwacht erinnert er sich klar an alles, besonders aber an die letzten Momente des Traumes – unergründlich tiefe Wasser, in denen er nach Antworten sucht, sie aber nicht findet.
Er reflektiert den Traum und seine Einstellung als jugendlicher und heute und erkennt dass sich damals alles nur um Ruhm und Ehre drehte und heute Ritterlichkeit und der Schutz der Schwachen und Hilfebedürftigen die bedeutendste Rolle eingenommen haben.
Im nachhinein erinnert sich Alawin dass er Arabel von Arivor erst vor kurzem in Havena wiedergesehen hat, als er im Tempel der Löwin in Havena nach Kämpfern suchte denen er eine Anstellung als Grenzschutz im Braakenwald anbot.
Als die Helden in den Straßen der Stadt unterwegs sind sehen sie Kinder die Drache und Drachentöter mit Holzwaffen spielen. Die Häuser werden für das Fest geschmückt und die Stimmung ist fröhlich. Auch das Wetter ist heiter mit einigen kleinen Wolken und viel Sonnenschein.
Am Marktplatz sehen die Helden einen Umzug, eine Gruppe von Menschen trägt gemeinsam ein großes Drachenkostüm aus grünem Stoff und einem Kopf aus Holz auf Stangen. Feuerspucker ‘beleben’ den Feueratem des Drachen und Musikanten begleiten die Prozession mit ihrem Spiel auf Trommeln und Flöten.
Als der ‘Drache’ den Rondratempel erreicht wird er vor den Stufen des Tempelportals von Kostümierten Bürgern mit einem hölzernen Stoßspeer bekämpft und nach wiederholten Angriffen schließlich besiegt. Den Helden fällt auf, dass die Kostüme der Drachentöter sie selbst darstellen. Eine junge Frau ist sogar mit einer Mischung aus Ruß und Fett am ganzen Körper bemalt um wie eine Moha-Frau auszusehen.
Alawin befindet sich in den engen Straßen einer Stadt. Aus der Ferne sind Trommeln zu hören. Alte Männer und zu junge Männer stehen zitternd in den Straßen, notdürftig bewaffnet und die wenigsten gerüstet. Furcht beherrscht die Herzen der Menschen, niemand hält dem Blick Alawin’s stand.
Als der Krieger die Angst in den Gesichtern der Menschen sieht hört er im Geiste die Stimme von Gunelde, Freifrau von Baliho, seiner Akademieleiterin und Lehrmeisterin: “Ein Mann wird im Kopf besiegt, Alawin!”
Er bahnt sich seinen Weg durch die Straßen auf die Burgmauer zu. Jenseits der Hügel am Horizont erkennt er die Banner des Feindes. Eines Feindes, der, wie er weiß, keine Gnade kennt. Seine Kriegskunst verrät ihm, dass die Verteidigung der Stadt nicht zu halten ist. Der Feind wird die Stadt im Sturm nehmen.
Er erinnert sich an Berichte aus den Grenzlanden wo Städte dem Feind zum Opfer fielen. Dass der Preis dafür mit Blut bezahlt wurde, mit dem Blut der Unschuldigen. Die Flüchtlinge sprachen davon dass der Feind jene ermordete die sich ihnen widersetzten, jene versklavte die sich unterwarfen, die Frauen vergewaltige und die Kinder von den Mauern der Stadt warf.
Verbittert schließt sich seine Faust um den Schwertknauf, würde er kämpfen und untergehen oder sich unterwerfen?
Als Alawin aus seinem Traum erwacht hört er im Geiste noch einmal die Stimme seiner Lehrmeisterin: “Mit Treue verdient man Ehre”, den Wahlspruch der Akademie zu Ruada’s Ehr’ den der so oft aus dem Munde der Akademieleiterin gehört hatte.
Noch im Morgengrauen machen sich die Helden fertig um zur traditionellen Morgenandacht im Rondra-Tempel zu sein.
In und um den Tempel der Sturmbringerin, wie sie hier im Windhag genannt wird, hat sich bereits eine große Menschenmenge versammelt. Viele der Menschen sind Soldaten oder Seekrieger, aber auch einfache Bürger Harbens sind hier zu finden. Als die Helden den Tempel betreten wird ihnen ein Ehrenplatz von den Geweihten der Göttin zugeteilt.
Die Messe beginnt mit einer Ansprache des Tempelvorstehers, in der er die Gläubigen an die Vertreibung Fuldigor’s durch Horas erinnert. Danach knüpft er mit einer Beschreibung der Gräueltaten des Riesenlindwurms Shirchtavanen an und dem Mut und der Tapferkeit der Helden die auszogen den Drachen zu töten. Er rückt den Rondragefälligen Kampf gegen den Drachen ins rechte Licht und erinnert die Anwesenden daran, dass die Götter die Menschen auserwählt haben um über Deren zu herrschen und ihnen die Stärke und den Glauben gegeben haben um jene Drachen zu besiegen welche die Welt tyrannisieren.
Im Anschluss ruft die Priesterschaft zur Pilgerfahrt nach Schattengrund auf und es bildet sich ein Zug von Gläubigen, angeführt von den Priester der Rondra und den Helden. Auch Ayla von Schattengrund befindet sich unter den Pilgern und als die Prozession den steilen Weg zur Pervalsfeste erklimmt und über den Platz der Drachentöter zieht werden sie von allen Seiten vom Volk bejubelt und mit Freudenrufen begrüßt. Auf dem Weg durch die Straßen der Oberstadt fällt ein Regen aus blauen Blütenblättern auf die Helden herab. Bürger stehen in Fenstern und Balkonen mit Körben voller Blütenblätter des ‘Blauregens’, einer Baumsorte die Lianen bildet an denen zu dieser Jahreszeit blaue Blütentrauben blühen.
Während Praiala und Idra in Harben bleiben um sich mit dem Ehevertrag zwischen Bosvani und Megrim auseinanderzusetzen reisen die anderen Helden mit dem Pilgerzug durch die Eslamsfeste auf die Klippenstraße. Der Weg, den die Helden in der Vergangenheit mehrmals bereist haben, führt in den steilen Felsklippen über dem Meer der sieben Winde Richtung Norden. Unter ihnen donnern die Wellen an die Felsen, der salzige Geruch von Seetang liegt in der Luft und der Wind trägt das Kreischen nistender Seevögeln heran.
Schließlich erreicht die Pilgerschar abends nach einem langen Marsch den Ort Triveth wo die Helden einen Ehrenplatz im Gasthof und ein Zimmer bekommen während die Rondrageweihten vor dem Ort Zelte errichten.
Zielstrebig bahnt sich Alawin seinen Weg zum Haupttor wo man ihn auf seinen Befehl hin durchlässt. Er steigt auf sein Pferd und reitet die Straße hinab zum Fluss der reißend zwischen den Felsen schäumt. Eine steinerne Brücke liegt vor ihm, der einzige Weg über die tosenden Wasser.
Er steigt ab und schickt sein treues Pferd zurück.
Mit eine Gebet auf den Lippen zieht Alawin langsam sein Schwert, ein Akt der ihm vorkommt als hätte es eine rituelle Bedeutung für ihn. Mit seinen Augen misst er die Brücke, deren Breite und Länge. Tausende Male hat er den Schwertkampf geführt und mit dem geschulten Blick eines Veteranen schweift sein Blick über jede Unebenheit der Pflastersteine, jeden Felsen der nahen Klippen, die optimale Verteidigungsposition suchend.
Hier auf der Brücke wo die Übermacht des Feindes nichts bedeutet, wo es zu eng und zu uneben ist um ihn niederzureiten, wo der Wind die Pfeile abschweifen lässt, hier wo der Feind nahezu einzeln passieren muss, hier wird er ihm mit dem Schwert in der Hand gegenübertreten.
Bereits früh morgens beginnt die Pilgerschar aufzubrechen und die steile Straße in den Windhag weiter zu ziehen. In Serpentinen geht es hinauf in die Berge auf einer Straße auf der schon so manche Kutsche oder Händlerwagen abstürzte. Bereits früh Nachmittags verschwindet die Sonne hinter den steilen Berghängen des Gebirges und in der Dämmerung erreicht die Pilgerschar schließlich Schattengrund, den Hauptort der gleichnamigen Baronie, in der die Helden vor fünf Jahren den Drachen töteten. Den Helden wird auf Burg Silbergreif die Gastfreundschaft angeboten wo sie sich von den Strapazen des Fußmarsches erholen.
Abwartend steht Alawin auf der Brücke, der Wind zerrt an seiner Kleidung und die Fluten des tosenden Flusses donnern unter ihm gegen die Felsen. Langsam erkennt er das Heer des Feindes die Flanke des nahen Hügels hinab kommen. Hunderte von bewaffneten und gerüsteten Kriegern.
Mit einem Kampfschrei auf den Lippen stürmen die ersten Krieger auf ihn zu. Doch nicht Angst oder Anspannung beklemmen ihn, eine Gefühl von kühler Überlegenheit breitet sich beim Anblick der wild heranstürmenden Feinde aus. Berechnend und sicher führen die Hände nur wenige gezielte Hiebe mit der langen Klinge in die ungeschützten Flanken der Angreifer. Schwer blutend stürzen sie seitwärts, verlieren durch die Wucht des Ansturms die Balance und werden von den schäumenden Fluten verschlungen. Knapp dahinter nähern sich weitere Krieger. Reihe um Reihe von Angreifern dringen auf ihn ein. Der Schwertarm jedoch scheint nicht müde zu werden, im Gegensatz es fühlt sich an als würde er von einer überirdischen Stärke erfüllt und mit der Präzision eines ausgeruhten Veteranen geführt. Betend zur himmlischen Leuin fühlt er wie IHRE Kraft ihn erfüllt, das Schwert geradezu an Gewicht zuzunehmen scheint ohne sich dabei schwerer führen zu lassen. Mit einer Einschlagskraft die Stein zersplittert schickt jeder Hieb einen weiteren Gegner ins Totenreich. Welle um Welle der Gegner dringt auf ihn ein, doch das Schwert tötet sie alle.
Schließlich rückt der Feind nur mehr zögerlich an und Alawin erblickt das Feldherrenbanner des Feindes das auf dem Hügel emporsteigt. Dem Signal folgend erkennt er wie einhundert Bogenschützen Pfeile einlegen und abfeuern. Für einen Moment verfinstert sich der Himmel und das surren von einhundert Pfeilen übertönt das Tosen des reißenden Flusses. Trotz des starken Windes, allein aufgrund der gewaltigen Zahl an Geschossen prasselt ein Regen von Pfeilen auf die Brücke hernieder. Gegen den Schmerz der Pfeil-Treffer ankämpfend geht Alawin langsam zu Boden. “Niemals darf der Schmerz stärker sein als du.”, hört er im Geiste die Stimme seiner Lehrmeisterin, doch fehlt ihm die Kraft sich zu erheben. Das Schwert entgleitet der Hand, prallt klirrend auf die Pflastersteine der Brücke. Mit einem Siegesschrei stürmen die Feinde auf die Brücke. Gnadenlos schlagen Sie mit ihren Waffen auf den am Boden liegenden ein, zerhacken ihn in blinder Wut, entstellen den Körper und schneiden ihm Ohren und Haare ab. Schließlich heben sie das Schwert triumphierend empor und schleudern den Rumpf in den Fluss. Ein Horn ertönt und das Heer beginnt sich zu bewegen. Die Hauptstreitmacht sammelt sich am Ufer um über die Brücke überzusetzen. Ein fernes Grollen von Donner rollt über das Land, eine Windböe zerrt am Banner. Dann mit einem gewaltigen Tosen donnert eine Flutwelle den Fluss herunter, reißt Reiter und Pferde mit sich in den Tod. Hunderte Krieger finden ein nasses Grab in den schäumenden Fluten, ihre Körper zerschlagen an den Felsen des Flusses. Die Hand die das Schwert empor hielt wird vom Wasser mitgerissen. Die Waffe von Stoß geschleudert fällt auf den Rand eines Felsens über den donnernden Fluten. Für einen endlos erscheinenden Moment hängt es dort, bis es in die schäumenden Fluten stürzt. Die Brücke ist von der Flutwelle zerstört, für die verbleibenden Truppen führt kein Weg mehr über den Fluss.
Ein Gefühl von Stolz und Sieg breitet sich aus, der Blick richtet sich zum Horizont, mit Zuversicht und Hoffnung.
Als sich die Helden früh morgens auf dem Weg zum Rondra-Schrein von Schattengrund befinden sehen sie, dass dieser von einer großen Zahl von Pilgern umgeben ist. Sie werden von vielen Menschen angesprochen die ihnen Geschenke machen und ihnen ihren Dank ausdrücken. Die Helden erkennen viele der Menschen wieder denen sie damals begegneten. Leute aus dem Ort Schattengrund, aus Bruchsee, aber auch Dorfbewohner aus Schildhöhe wie die Familie Mehltheuer deren Tochter die Dorfbewohner damals aus der Not heraus dem Drachen zu opfern versuchten. Und wäre sie nicht von den Helden mutig befreit worden, hätte vermutlich nicht nur sie sondern auch viele weitere junge Frauen aus dem Dorf ihr Leben gelassen. Auch Dorfleute aus Kleinau kommen den Helden entgegen und machen ihnen Geschenke. Die Helden erinnern sich mit grauen daran wie der Drache im Kalksteinbruch wütete und das Dorf fast vollständig verwüstete. Mit Schmerzen erinnern sie sich an die herzensguten Menschen die in den Flammen des Drachenfeuers umkamen.
Schließlich erreichen die Helden den Schrein wo einer der Köpfe des Drachen zu Mahnung und Erinnerung aufgehängt ist. Den Helden wird wieder ein Ehrenplatz eingeräumt und Ayla von Schattengrund beginnt mit der Messe. Ihr charismatisches Auftreten beeindruckt die Helden und ihre starke Stimme trägt weit über die Pilgerschar. Sie erinnert an die Menschen die durch das Wüten des Drachen ihr Leben verloren aber auch an die tapferen Seelen die auszogen um dem Untier die Stirn zu bieten. Vier Drachenhatzen zogen aus um den Riesenlindwurm zu töten, die Dritte angeführt vom Pfalzgrafen von Weißengau, der bereits Erfahrungen mit Westwinddrachen und der Jagd auf Tatzelwürmer hatte. Schließlich kommt sie zur Ehrung der Helden, betont ihren Mut und ihre Tapferkeit in den Augen der Göttin. Traditionell beginnt sich nun eine Schlange unter den Gläubigen zu bilden aus all jenen die der Donnernden ein Opfer bringen wollen.
Alawin, der selbst ein Opfer bringen möchte, hat eine Klinge zu anderthalb Hand aus den Waffenschmieden Arivors mitgebracht, die er aus dem Hort des Drachen erbeutet hatte. Als er vortritt erweist ihm die Priesterin die Ehre als Erster sein Opfer darbringen zu dürfen. Der Krieger hebt die Waffe an Griff und Klinge und kniet sich vor den Altar zu einem Gebet. Über dem Altar erhebt sich die Rondrastatue aus Marmor und hinter ihr ein Fenster aus buntem Glas durch das in diesem Moment die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne fallen. Das wärmende Licht der Morgensonne umgibt die Statue mit einer strahlenden Aureole.
Alawin erscheint es plötzlich als wäre die Statue zum Leben erweckt. Schützend breitet sie ihre weißen Schwingen aus, blickt streng auf ihn hernieder und spricht: “Alawin!”.
“Ja Herrin.”, antwortet er.
Und die Donnernde spricht zu ihm: “Ich bin die Herrin die dir den Mut gab gegen den Drachen zu kämpfen.
Die, die dir die Tapferkeit gab, dem Heer der Orken entgegenzutreten,
die dir die Verantwortung eingab die Amazonen Kurkums aus der Dunkelheit ins Licht zu führen und
die dir den Zorn schenkte die Schergen des Namenlosen zu vernichten.
Denn ich bin der Kampf.
Ich bin die Ehre.
Ich bin der Schild der die Hilf- und Wehrlosen schützt.
Ich bin die Tapferkeit und die Verantwortung.
Aber ich bin auch der Donner, der Blitz, und der Sturm der über die Grausamen und Ehrlosen kommt.”
“Ich bin dein, Herrin.”, antwortet Alawin.
“Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, darum will ich dir von meiner Kraft geben, so du mein Werk tust und in meinem Namen wider das Böse streitest. Doch fürchte dich nicht; denn ich bin bei dir.”
“Was soll ich tun, Herrin?”, fragt Alawin.
“Nimm deine Freunde, denen du vertraust, gehe hin in das Land von Ucuri’s Sohn Horas zum goldenen Berge, den ich dir zeigen werde. Dort wo Mythrael der Walkür gegen den heiligen Geron kämpfte, opfere mir daselbst alle deine Schwerter und all dein Rüstzeug.”
Das Licht verschwindet als sich Wolken vor die aufgehende Sonne schieben und Alawin bemerkt, dass er noch vor dem Altar kniet. Alle Augen sind auf ihn gerichtet, niemand scheint gesehen zu haben was er gerade erblickt hat. Mit einem leisen Dankesgebet auf den Lippen bringt Alawin sein Opfer dar und tritt wieder zurück zu seinen Gefährten.
Die Helden verbringen den Tag mit den Menschen die ihnen zutiefst Dankbar sind. Alawin grübelt über die Worte in seiner Vision nach, ist sich aber nicht sicher alles gut verstanden zu haben.
Alawin fühlt den warmen Sommerwind im Haar und wie er mit seinem Gewand spielt. Seine Hand streicht sanft über das warme Fell seines Pferdes. Der Blick ist zum Horizont gerichtet wo sich eine stolze Stadt erhebt. Aus dem hügeligen Umland voller Ölbaumhaine und Weinreben ragt ein mächtiger Fels aus Vulkangestein der im Licht der Sonne golden glänzt. Darauf erheben sich gewaltige Festungsmauern. An die Hänge zum Fuße jenes Felsens schmiegen sich die weiß verputzten Häuser einer blühenden Stadt. Banner wehen auf den Türmen, das Banner ist geviert von grün und silber, oben rechts zwei schreitende schwarze Löwen.
Plötzlich befindet sich Alawin im Inneren einer prächtigen Halle. Helles Sonnenlicht fällt durch ein riesenhaftes, prunkvolles Südfenster das aus verschiedenfarbigen Glasstücken zusammengesetzt ist. Als er durch einen Torbogen ins Freie schreitet sieht er einen Park in dem ein wunderschöner, mythisch anmutender, uralter Kirschbaum steht. Auf seinen Ästen tummeln sich hunderte bunter Vögel die sich an den süßen Früchten erfreuen. Dann fällt sein Blick die schroffe Bergflanke hinunter auf einen Tempelkomplex. Hier steht auf einem weiten Platz eine marmorne Statue. Sie stellt den Alveraniar Mythrael dar, den geflügelten, Tigerköpfigen Herold Rondras der nach jeder Schlacht die Helden auswählt, die in Rondras Hallen einziehen dürfen. Dahinter beginnen die steinernen Treppenstufen die in den von Säulenreihen umgebenen Tempel führen.
Wieder wechselt das Bild im Traum, Alawin befindet sich auf den Treppenstufen die vorhin noch weit entfernt lagen. Er steigt die Stufen empor und tritt durch das Tempelportal. Eine große Rondrastatue hält ihm ihre Hände entgegen als würde sie ihn willkommen heißen und mit offenen Armen empfangen. Als er näher tritt erkennt er dass die Statue an ihm vorbei blickt. Dem Blick der Statue folgend, wendet er sich um und erblickt ein Relief an der Wand neben dem Eingang. Nur undeutlich kann er es ob dem Licht das ihn durch den Tempeleingang blendet erkennen, doch es erscheint ihm wichtig, von Bedeutung zu sein.
Die Rondra-Geweihten führen den Pilgerzug an diesem Tage wieder zurück aus den Bergen hinunter an die Küste. Abends erreichen sie wieder Triveth wo Alawin Ayla von Schattengrund bittet sich mit ihm unter vier Augen zu unterhalten.
Er berichtet ihr von seinen Träumen und der Erscheinung im Rondra-Schrein von Schattengrund. Die Ardaritin erkennt in den Träumen die Reflexion von Alawin’s ehrenhaften Prinzipien die sich in der Traumwelt widerspiegeln. Was er im Schrein gesehen hat deutet sie als den Ruf der stürmischen Göttin, dem er folgen sollte. So manch ehrenhafter Menschen fühlt in seinem Leben die Nähe zu Rondra, manch einer entschließt sich sogar ihr sein Leben zu opfern und ihr als Geweihter zu dienen. Eine Erleuchtung wie die von der Alawin berichtet ist jedoch etwas sehr seltenes.
Als Alawin über Mythrael den Walkür und Geron den Einhändigen fragt, zeigt Ayla ihm einige Passagen aus dem heiligen Rondrarium.
»Rondras Herold, Mythrael genannt, kürt nach jeder Schlacht unter den Toten die größten Helden, sammelt sie und geleitet sie in Rondras Hallen. Dereinst, im Letzten Großen Kampf, wird er die Alveranischen Heerscharen der toten Helden befehligen. Mythrael, dem die Beinamen Erz-Alveraniar, Marschall der alveranischen Heerscharen und Weggefährte der toten Helden sind, erscheint mit Tigerhaupt, eisernen Flügeln und Flammenschwert und ist am Nachthimmel sichtbar als das von allen Völkern gleich erkannte Sternbild des Helden.«
—Heiliges Rondrarium, Viertes Buch, Kapitel Mythrael
»Am Thage Frauwen Rondra, alsz vor vielen Götterlaufen die ersten Leuth aus dem fernen Guldenlandt auf Alveranthürn anlangten, war daz Lieblich Feldten ein verwünschenes Landt, daz noch kaum ein klüglich Wesen zuovor geschauet hatt – allein Fuldigor hauste in den Gulden-Felsen – und vielerleien wildt Geschöpf sprangen über Felder, Wiesen unt Wälder: Sintemalen die Leuin, die Königin alln Gethiers unt Gefleuchs.
Da aper warn unter den Guldenländlern die, die schlau warn und tapfer warn; die fühleten sich den Löwen gleich unt denen über, die feig und verschlagen in ihren Häusern warn.
Da aper that sich Mythrael, der Himmelsleu, dem kundt, der Geron hiesz, als mächtig Leu in dunkelm Walde, grad alsz der Recke in ein lieblich Feenseen schwamm. Des Manns Schwertklinge war ferne unt er trat dem Löwen entgegen, blosz wie er war. Der Leu brüllte und bisz und schlug mit den Prancken, und fürewahr risz er des Recken rechte Handt vom Gliede, – Geron aper würgete dasz gewaltige Thier, und endtlich vermochte keiner, den andern zuo bezwingen.
Da aper sprach der Alveraniar in andrer Gestalten zu Geron: Er that ihm Frauwen Rondras Sein kundt, gab ihm das gulden Schwerte Siebene Streich unt hiesz ihn, von der Herrin in alln Landten zuo künden unt zuo vollführen im Zeichen Frauwen Rondras, wozuo das heilig Schwerte von Herrn Prajos geschaffen, – dabei hatte der Recke doch allein die linke Handt noch!
Da aper ritt Geron von dannen, erschlug alles Ungetüm und baute Frauwen Rondra dorten eine Hallen, wo er Mythrael erstmal getroffen und wo heuer Arivoren sich in den Himmel hebet.
Als er diez aper alles vollführet, da wuchs ihm wundersam am rechten Gliede eines Leuen Klaue.
Und er ging hin unt focht mit der Linken und Sieben-Streich, dem himmlischen Schwerte.«
—Heiliges Rondrarium, Sechstes Buch, Kapitel Geron
Ayla vermutet, dass es sich bei dem Goldene Berge um den Burgberg von Arivor, den ‘Goldenhelm’ handelt. Südlich der Stadt liegt der Gerons-See wo, so glauben viele, Geron gegen Mythrael gekämpft haben soll. Die Priesterin selbst entnimmt aus dem heiligen Rondrarium allerdings, dass es sich um einen Feensee gehandelt hat, den sie selbst eher im sagenumwobenen Ranafandelwald vermutet, einem Feenwald der, ähnlich wie der Farindelwald, vom Volk gemieden wird. Wie sie berichtet ist der Ranafandelwald ein äußerst dicht bewaldetes Hügelland südwestlich von Arivor und dem Gerons-See, das nach dem hier entspringenden Ranafandel-Fluss benannt ist. Sein Name weist zudem auf den vom Heiligen Geron erschlagenen Wasserdrachen Ranafan hin, dessen finstere Mächte bis in den Wald gereicht haben und bis heute für allerlei unheimliches Getier darin verantwortlich sein sollen.
Die Pilgerreise führt über die Klippenstraße nach Süden wo sie gegen Abend wieder in Harben ankommen.