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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Thu Jul 11, 2019 7:50 pm

Die Geräusche über ihnen gehen beständig weiter und so wagt sich Praiala vorsichtig Schritt für Schritt tiefer in den Raum, auf der Suche nach einem anderen Ausgang aus dem Gewölbe.

Als sie am Schreibtisch vorbeikommt schweift ihr Blick über einige Buchtitel: Magica Corporum, Viae sine Nominae, Codex Transformationum, Incantationes Nefastes, Chimaeras Hybridae et Daemonidae, Excursii de Al'Kimiya Magica.
Bei einem aufgeschlagenen Oktavo scheint es sich um das Buch der Schlange eines Geweihten namens Hesindaion Tapion von Gareth mit Eintragungen aus dem Jahre 8 Menzel zu handeln.
Ein zweites offenes Buch scheint ebenfalls ein Diarium zu sein, aber von gutem Zustand und mit Eintragungen neueren Datums.

Als das Licht der Laterne durch die Dunkelheit der entfernten Ecken wandert, erkennt Praiala eine Falltür im Boden die offenbar noch tiefer hinab in die Gewölbe des Turms führt.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Sat Aug 31, 2019 4:43 pm

"Schau, eine Falltür", flüstert die Geweihte aufgeregt als sie diese entdeckt und fühlt etwas Zuversicht aufkeimen. Natürlich führt diese tiefer hinein, aber vielleicht - nur vielleicht - auch irgendwo hinaus.
"Hesindiane... und Praiala.. wir vertrauen darauf dass die Götter uns beistehen werden aus dieser schrecklichen Situation zu entkommen", bemüht sie sich um mehr Zuversicht als sie eigentlich hat.

Als Praiala die Falltür im Licht ihrer Laterne untersucht erkennt sie, dass diese aus dem gleichen uralten und verzogenen, schweren Eichenholz gefertigt ist wie auch die massiven Dielen des Bodens. Ein eiserner Ring dient dazu sie zu öffnen, falls sie sich überhaupt noch öffnen lässt.
Wirklich andere Optionen scheinen sie aber auch nicht zu haben - nach oben zu gehen, wo die Leute zu hören sind, zahlenmäßig überlegen und bewaffnet, scheint jedenfalls keine gute Idee zu sein. Sie sieht sich die Falltür genauer an und lauscht. Wahrscheinlich würde sie das Geräusch verraten.

Vorsichtig wendet sich Praiala zuerst dem Rest des Raumes zu. Als sie die Bücher ansieht zögert sie, vor allem als sie die beiden Diarien erblickt und sieht dann zu Hesindiane hin. Die junge Frau wankt inzwischen zitternd an der Wand entlang, ihre Hand gleitet stützend über die verstaubten Regale und zerreisst dabei die Spinnweben.
Irgendwelches krabellndes Getier sucht dahinter im flackernden Licht der Laterne schnell das Weite.
Der Lichtkegel schweift erneut über den Beschwörungskreis. Sind das Ketten im Dreck und Ruß auf dem Boden in der Kreismitte?

Praiala blickt erneut über die Bücher. Handelt es sich um Werke die auf dem Index der Praioskirche stehen?
Aus ihrem Schulbosparano übersetzt sie:
Magie der Leiber, Wege ohne Namen, Codex der Verwandlungen, Todbringende Verzauberungen, Chimären, Hybriden und Daimoniden, Exkurse zur Ur-Tulamidischen Alchemie.
Bestimmt wäre es besser diese Werke in den Gewölben der verbotenen Schriften unter Verschluss zu halten. Sollte sie die Bücher in ihren Rucksack packen? Nachdem sie den Großteil seines Inhalts in der Brache zurückgelassen hat würden die Bücher wohl darin Platz finden. Oder sollte sie die Schriften gleich hier verbrennen um zu verhindern, dass Kenner der schwarzen Kunst sie sich zunutzen machen?
Als ihr bewusst wird, dass der Rauch sie verraten würde wendet sich Praiala den Tagebüchern zu.

Das jüngere Diarium scheint einem Magier gehört zu haben. Zwischen den Eintragungen finden sich ausgewählte Zitate und Weisheiten aus den Gesprächen Rohals des Weisen.
Die letzte Eintragung ist fünf Jahre alt.
Der Besitzer war auf der Suche nach einer Reliquie der Praioskirche. Er fand diesen Turm, arrangierte sich mit der Bewohnerin und nutzte ihn als Operationsbasis und zu Studienzwecken. Aus seinen Magietheoretischen Thesen erkennt Praiala, dass der Autor ein Jungmagier, ein Adeptus, war, der aus einem alten Werk von diesem Turm und dessen Erbauer, einem brillanten Chimaerologen namens Phygius, erfuhr. Nachdem er seine anfängliche Suche bald ohne Erfolg aufgab versuchte der Jungmagier etwa ein halbes Jahr lang einen Weg zurück aus der Brache zu finden. Sein wiederholtes Scheitern schrieb er personifizierten Mächten der Brache zu die ihn nicht entkommen lassen wollten. Schließlich wendete er sich wieder seiner anfänglichen Suche zu und bediente sich des Wissens aus Phygius' Werken um Kreaturen zu erschaffen die ihm bei der Suche helfen sollten. Die letzte Eintragung beschreibt, wie er das Buch der Schlange des Hesindaion Tapion von Gareth fand und darin eine Legende über den "Sendboten des Waldes", dessen Hilfe die Suche drastisch beschleunigen könnte, jedoch im Tausch gegen eine Opfergabe.

Vorsichtig untersucht Praiala die aufgeschlagene Seite des Buchs der Schlange. Darin hat der Hesindegeweihte eine Warnung hinterlassen:

"[...] so lenke denn niemals deine Füße gen die Brache, denn der Wald ist dir Feind. Überdies hat es dorten Kreaturen, die niemals das Antlitz Derens beschreiten dürften, und so sieht es dort auch allerorten aus - krank und giftig ist das Land. Man munkelt, die niederhöllischen Wesen, die der Blutige Fran rief, seien an jenem unsäglichen Ort geblieben und hätten ihn sich zur Heimstatt erkoren, andere sagen, das Gefüge der Welt sei schwach, wo einmal der Blitz die Sphärenkuppel gespalten und für das Unheilige geöffnet. Der Gläubige jedoch findet keinen Platz, um zu ruhen oder Hesinde um hilfreichen Schutz anzuflehen - zu verdorben ist das Land dahier."

Vorsichtig blättert Praiala durch das Diarium des Hesindegeweihten. Der Autor hat darin eine ganze Reihe von Legenden und Geschichten über die Dämonenbrache gesammelt.
Plötzlich stoppt die Hand der Praiotin als ihre Finger über die verschnörkelten Lettern der Überschrift eines Märchens gleiten.

"Der Sendbote des Waldes"
Mit Grauen liest sie die Geschichte:
Der Sendbote des Waldes
Ein kalter Schauer und eine plötzliche Übelkeit überkommen die Geweihte, die sie nur mit dem Gefühl heiligen Zornes bewältigen kann. Welche Niedertracht verbirgt sich nur in den Herzen jener Menschen die mit einem solchen Wesen Handel treiben? Vor Praios Antlitz würden sie auf dem Scheiterhaufen brennen.

Plötzlich beginnt über ihr laute Musik zu dröhnen. Der Lärm muss im Erdgeschoss ohrenbetäubend sein und selbst hier im Kellergewölbe ist das Trommeln und Schrillen der zwergischen Instrumente unerträglich laut.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Tue Oct 29, 2019 1:41 pm

Behutsam packt die Geweihte die Bücher in ihren Rucksack, angefangen mit den Diarien und dann so viele wie möglich von den uralten, vergilbten Schriften und staubige Folianten.

Danach wendet sie sich der Falltüre zu. Der Lärm im Erdgeschoß geht beständig weiter und so wird bestimmt niemand hören wenn sie sich daran zu schaffen macht.
Mehrmals muß sie mit all ihrer Kraft an dem rostigen, eiserner Ring ziehen bis sich das verzogene, aufgequollene Eichenholz endlich aus dem Rahmen löst und sich die Falltür ruckartig öffnet.
Der abstoßende Gestank von Sumpfgasen, Verwesung und der Fäulnis uralten, morschen Holzes umhüllt die Geweihte.
Vor ihr führt ein schwarzer Schacht hinab und als Praiala mit ihrer Laterne nach unten leuchtet erkennt sie die hölzernen Sprossen einer Leiter die zu einem großteils mit Schlamm bedeckten Steinboden vier Schritt tiefer hinabführen.

Vorsichtig setzt sie einen Fuß auf die erste Sprosse während sie sich am Rahmen der Falltür festhält und testet ob die Sprosse sie hält. Das alte Holz scheint sie zu tragen und so gibt die Geweihte ihrer Gefährtin Hesindiane ein Handzeichen ihr zu folgen und tastet sich Schritt für Schritt tiefer hinab. Mehrmals muß Praiala die gerettete Gefangene stützen um zu verhindern, dass sie in ihrem geschwächten Zustand abstürzt. Als Hesindiane die Falltüre über ihnen zuklappt wird der Lärm von oben leiser.
Die beiden Frauen erreichen unversehrt einen schachtartigen Kellerraum. Faulig stinkende Finsternis und ein Gefühl jahrhundertealten Verderbens umfängt sie.

Der aus großen, schwarzen Steinblöcken gemauerte Keller, etwa von der Größe der Grundfläche des Turmes, wird von einem Kreuzgewölbe getragen, dessen Verstrebungen bis auf den schmutzigen Steinboden hinabreichen.
Hier und da erahnt Praiala die verrottenden Überreste hölzerner Einrichtung von der jedoch nicht mehr als von Schlamm und Moder bedeckte Haufen Gerümpel übrig sind. Pilze und Schwämme überwuchern die feuchten Haufen verrottenden Holzes.
In drei der Seitenwände führt je ein gemauerter Gange in die Dunkelheit. Der Steinboden der Gänge ist teils mit Schlamm, teils mit glitschigen Algen bedeckt und der Gestank von Moorgasen lässt Praiala um Atem ringen.

Als die Geweihte mit der Laterne in einen der Gänge hineinleuchtet erkennt sie, dass dieser nach einigen Schritten in einer flachen Treppe abfällt und schlussendlich an einer Wasserfläche endet. Der schräg abwärts führende Gang scheint komplett überflutet zu sein. Auch im zweiten Gang findet Praiala das selbe Bild, der dritte Durchgang jedoch führt in eine größere, angrenzende Halle.
Eine Hälfte liegt tiefer und ist über Stufen zu erreichen, jedoch nur drei befinden sich über der spiegelnden Wasseroberfläche.
Auf einem Steinquader liegen schartige Messer mit seltsam gebogenen Klingen. Etwas streift Hesindianes Schulter, sie zuckt zurück und schnappt panisch nach Luft. Im Licht von Praialas hastig in ihre Richtung geschwenkten Laterne erkennen die Frauen eine Reihe rostiger Ketten von der Decke hängen.

"Ganz ruhig", flüstert Praiala, "Wenn es einen Weg gibt, dann liegt er wohl unter Wasser."
Die Oberfläche des faulig stinkenden Gewässers liegt still vor ihnen und spiegelt das vom Licht ihrer Laterne beleuchtete Deckengewölbe.

Mit einem leisen Gebet auf den Lippen fingert die Geweihte aus ihrem Gepäck ein schwach leuchtendes Amulette hervor. Xomasch-vukan-koschmo (Rogolan: Juwel der wachsenden Sonne) hatte es Garam's Frau Andra, die Xorloscherer Kristallzüchterin, deren Kinder sie in den Ingrakuppen gerettet hatte, genannt. Das Amulett aus Zwergengold in der Form einer Sonnenscheibe trägt in der Mitte ein leuchtendes Bergkristalljuwel.
Als Praiala die Laterne abblendet und ihre Hand mit dem Kleinod ins Wasser taucht, erhellt dieses einen kleinen Bereich des unter Wasser liegenden Teils der Halle.
Dann erkennt die Geweihte eine Bewegung im Wasser. Etwas nähert sich und betrachtet sie neugierig.
Schaurig schön anzuschauen ist das Mischwesen aus dem Oberkörper einer jungen Frau und dem Unterleib eines kapitalen Hechts. Ihre Haut ist von grünlichem Grau, Schuppen und Haare vom Braun des morastigen Wassers. Als ihr Blick dem Arm der Geweihten folgt und Praiala durch die Wasseroberfläche erblickt entblößt sie eine Reihe scharfer Fangzähne.
Bild
Gerade noch rechtzeitig stößt sich Praiala von den steinernen Stufen ab und wirft sich zurück als das Fischwesen auch schon aus dem Wasser schnellt. Nicht eines sondern vier der Kreaturen ziehen sich auf ihren Händen über den steinernen Boden auf sie zu. Hesindiane, die eilig die Laterne genommen hat, hastet bereits zurück zur Leiter. Nur mit dem schwachen Licht des Amulettes und von vier Mensch-Fisch-Chimären bedroht eilt auch Praiala zurück und erkennt noch eine weitere Fisch-Kreatur aus einem der Gänge kriechen. Hastig ziehen sich die Frauen die Sprossen der Leiter nach oben, der Falltür entgegen. Als plötzlich eine Sprosse bricht und Praiala ein Stück abrutscht spürt sie einen Ruck als eine klauenbewehrte Hand ihr Fußgelenk packt. Ein reflexartiger Tritt, kein Blick zurück, mit aller Kraft zieht sich die Geweihte nach oben und die beiden Frauen erreichen erneut den Kellerraum mit dem Beschwörungskreis.
Als sie mit der Laterne hinableuchten erkennen sie, dass die Kreaturen nicht in der Lage sind ihnen zu folgen und sich schon bald lauernd in die Schatten zurückziehen.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Fri Nov 15, 2019 11:30 pm

Praiala wartet noch eine Weile und überlegt. Die Wesen scheinen sich an Land nur recht plump und unbeholfen bewegen zu können, wenn es ihr gelänge sie einzeln zu bekämpfen, hätte sie vielleicht eine Chance und dann könnten sie und Hesindiane versuchen durch die unterirdischen Gänge zu tauchen um einen Ausgang zu finden.
Bei den Überlegungen über ihre mögliche Flucht beginnt ihr Herz zu rasen, ihre Gedanken springen hin und her. Doch was wenn sie die Beweglichkeit der Kreaturen falsch einschätzt? Was wenn es ihr nicht gelingt und sie sich in Überzahl auf sie stürzen? Was wenn sie sich zurückziehen, und unter Wasser lauern? Wie viele von diesen Monstrositäten gibt es überhaupt in den morastigen Wassern?
Als ihr schließlich bewusst wird, dass Hesindiane viel zu geschwächt ist um eine längere Strecke zu tauchen, seufzt sie und schließt leise die Falltüre.

Über ihnen machen die Jugendlichen weiterhin mit ihrer penetranten Musik so viel Krach, dass sie sich halbwegs sicher fühlt. Doch irgendwann, das ist ihr klar, werden sie bemerken, dass sie nicht mehr in ihrem Zimmer ist.

In der Hoffnung vielleicht noch einen anderen Hinweis zu finden, öffnet die Geweihte erneut das Diarium.

Beim Durchblättern der älteren Einträge stellt sie fest, dass der Jungmagier die Brache betrat um Daradors Auge zu suchen, einen Talisman der Praios-Kirche, der in der ersten Dämonenschlacht verloren ging.

Er war in einem alten Folianten aus den Dunklen Zeiten auf eine Erwähnung des Göttlichen Artefaktes gestoßen. Angeblich fand und barg eine Magierin genannt Nishkara den Talisman.
Sie war eine der legendenumrankten Gnaph'Canari von Ash'Grabaal, Meistern der arkanen Zunft die in der geheimen Zauberschule des verborgenen Königreiches in die verbotenen Wege der Magie eingeweiht worden waren.
Gnaph'Camance, so lautete der Name der sagenumwobene Schule der finstersten Magie die sich im Herzen der Brache befunden haben soll und von Iribius, dem Herren des verbotenen Wissens, selbst geführt wurde. Nicht mehr als sieben Schülern soll er zu jeder Zeit die Aufnahme gewährt haben und seine Bedingungen waren: Sieben Jahre die verbotenen Künste zu lernen und als Gnaph'Canari die Schule zu verlassen oder von der ewigen Verdammnis verschlungen zu werden. Denn nur der beste Schüler würde wieder entlassen, die sechs anderen Seelen waren der Preis für Iribius' Wirken.
Die Schule lag unterirdisch um die Schüler während ihrer siebenjährigen Lehre vor dem Blick des Götterfürsten zu verbergen und nur Iribius' hochrangiger Diener Uridabash kannte neben den Gnaph'Canari das Geheimnis um ihre Lage.
Sie bewahrten das Wissen um die geheimen Pfade durch den Äther, die ihnen erlaubten frei zwischen den Sphären zu wandeln.
Ihnen allein war es gestattet die Bibliothek des verbotenen Wissens in Iribius' Palast zu betreten und aus dem Buch der Wahren Namen zu lesen.

Der junge Magus glaubte aus verschiedenen Hinweisen in Nishkaras Folianten die Lage ihres Schwarzen Turmes, in dem sie Daradors Auge aufbewahrte, rekonstruiert zu haben.
Doch ganz offensichtlich erkannte er erst zu spät, daß er den Mächten der Brache nicht gewachsen war.

Der Lärm verstummt.
Stimmen rufen Namen und verabschieden sich. Zwei Gruppen. Die Einen brechen auf um nach Gareth zu gehen, die Anderen bringen das geraubte Mädchen tiefer in die Brache.
Stille kehrt ein. Nur das unheimliche Knarren des uralten Holzes des Gebälks dringt hin und wieder zu der Geweihten hinab.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Tue Dec 03, 2019 8:04 pm

Als es still wird hebt Hesindiane den Kopf und sieht Praiala an. Ihre Blicke treffen sich. Vermutlich denkt die junge Frau das selbe wie die Geweihte. Könnte ihnen jetzt die Flucht gelingen?

Vorsichtig öffnet die Geweihte die verbogene, alte Türe, die den Beschwörungsraum und den Keller trennt.

Stille und Dunkelheit.

Zu zweit durchqueren sie leise den Keller, ständig ihre Blicke auf den schmalen Lichtspalt unter der Tür gerichtet. Als sie die unterste Treppenstufe betreten, hören sie wie sich das Knarren des alten Holzes scheinbar endlos durch den gesamten Turm fortsetzt. Erschrocken verharren sie eine gefühlte Ewigkeit. Ungefähr so schlau wie zwei Mäuse vor einer Schlange, kommt es der Geweihten in den Sinn.
Als sie die Tür erreichen haben sie immer noch kein Geräusch aus dem Erdgeschoss vernommen.

Sie öffnen die Türe. Nun können sie den Gang entlangblicken. Vorsichtig geht Praiala voran, dicht gefolgt von Hesindiane.
Als sie an die offene Küchentür kommen wartet die Geweihte erst einige Sekunden und lauscht. Nur noch diese wenigen Schritte durch die Küche müssen die beiden Frauen überwinden um ins Freie zu gelangen.

Dann macht sie mutig den Schritt vorwärts in die Tür, während ihre Gefährtin zögert und zurückbleibt.

Und da steht Zhandukan. Hier in der Küche, gleich vor ihr. Das verschmierte Gesicht von Zhandukan glotzt sie erstaunt an, seine blauen Augen sind weit aufgerissen.

Sein Blick richtet sich nach unten, und er bemerkt das Sonnenszepter in Praialas Hand. Dann starrt er ihr wieder ins Gesicht, beinahe schon traurig und voller Erwartung. Aber was erwartet er denn?
Und wieso zögert er?

Und dann sieht sie es. Die schwere Armbrust lehnt an der Wand neben der Tür, durch die sie gerade gekommen ist. Zhandukan wiederum hat bemerkt, dass sie sie entdeckt hat. Die Welt verzerrt sich und scheint zu beben, es ist, als würde die Zeit auf einmal viel schneller ablaufen.

Zhandukan schwingt seine Beine über den Tisch, der zwischen ihnen steht. "Guten Morgen, Praiala. Na, willst du nach Gareth abreisen? Du trägst ja dein Praiostagsschulkleid. Siehst echt gut damit aus."

Er hat seine Lederhose an und trägt ein mit Blut beschmiertes Hemd. In der Hand hält er den Dolch. Er ist so schnell in seiner schmalen femininen Hand und dem Raum und Praialas Leben aufgetaucht, dass die Praiotin sofort weiß, er kann damit umgehen. Und er hat ihn schon benutzt. Es ist seine Lieblingswaffe, er trägt sie ständig bei sich.

Praiala spürt schlagartig allen Mut schwinden. Allein in ihrem festen Glauben findet sie jene Kraft die sie weiter vorantreibt. Gerade mal so weit ist sie gekommen. Nur so weit, und nun stehen sie ihr schon wieder im Weg. Doch nun ist sie nicht mehr wehrlos. In Praios Namen sie wird nicht kampflos untergehen.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Thu Dec 05, 2019 10:59 am

Sie springt auf Zhandukan zu, das Sonnenszepter zu einem wuchtigen Schlag weit ausholend. Dann zögert sie, einen Schritt bevor sie ihn erreicht hat. Es ist eine Zeitspanne, die viel zu kurz ist, als dass man sie bemessen könnte. Trotz ihres Zornes über das gottlose und rechtlose Treiben der Gruppe fragt sie sich, ob sie das Richtige tut, denn dieser lange, dürre, mädchenhafte Bursche vor ihr ist noch recht jung um vor Boron zu treten und auf der Seelenwaage Rethon gewogen zu werden. Sogar jetzt, nach allem, was sie durchgemacht hat, ist der heilige Zorn in ihr noch nicht zur Gänze erwacht. Das kurze Innehalten reicht Zhandukan, um grinsend den schmalen, blassen Arm zu heben.

Praiala's verzögertem Hieb fehlt der nötige Impuls um den Jungen zu treffen und als sie ihn zustechen sieht zuckt sie zusammen und springt zur Seite. Dann stockt ihr der Atem, als sie spürt, wie der Dolch direkt unter dem Spaldenier durch den Stoff ihres Waffenrocks dringt. Sie spürt, wie die kalte Klinge in ihr Fleisch eindringt, fühlt den Schnitt und einen brutalen Schmerz, der ihre Achsel durchzuckt. Sie blickt an sich herab und sieht, wie sich der Harnisch rot verfärbt und das Blut sich über ihre Seite ergiesst. Sie beginnt zu zittern.

Zhandukan grinst böse und dreht den Dolch in der erhobenen Hand, bereit erneut zuzustechen. Praiala schaut in die kalten blauen Augen des Jungen und ist viel zu wütend, um atmen zu können. Das hat ihr ihr Mitgefühl eingebracht. Nur weil sie einen Moment lang gezögert hat, muss sie nun sterben, hier in dieser dreckigen Küche.
"Verbrecher!", stößt sie hervor. Zhandukan holt aber bereits mit seinem dünnen tätowierten Arm aus und sticht zu.

Praiala taucht unter seinem Ellbogen durch, packt das schmale, mädchenhafte Handgelenk mit der linken Hand, so wie sie als Kind einen Immanball in der Luft auffing, wenn sie richtig in Form war – dabei landete der Ball in ihrer Hand, ohne dass jemand die Armbewegung überhaupt bemerkte. Mit dem Waffenarm zieht sie unterdessen mit all ihrer Kraft durch, und der schwere Schlagkopf des Sonnenszepters trifft Zahndukan am Hinterkopf. Die metallenen Zacken der massiven Hiebwaffe dringen in das magere Fleisch ein und von einem dumpfen Knacken begleitet prallt die Waffe ab. Erst als sie das Sonnenszepter, das von der Wucht des Aufpralls erzittert, wieder zwischen sich und den Jungen gebracht hat, hält sie inne.

Zhandukan schnappt nach Luft. Er sieht die Praiotin überrascht an. Er verzieht sein verschmiertes Gesicht, als wolle er heulen, als wäre er bitter enttäuscht darüber, dass es schon vorbei ist, als beklage er sich darüber, dass ihn jemand betrogen hat.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Thu Dec 05, 2019 2:11 pm

Praiala, die Zhandukan mit ihrem Angriff zwischen sich und die Tür gebracht hat, erblickt Hesindiane, die inzwischen in die Türöffnung getreten ist. Die junge Frau bückt sich zu der gespannt angelehnten, schweren Armbrust. Dazwischen hört die befreite Gefangene diffus die Schreie von Zhandukan und das Keuchen ihres eigenen Atems. Beim Anblick des Blutes wird ihr schwindelig. Auch Praialas Seite und Bein sind voll davon. Zwischen den langen dünnen Fingern von Zhandukan quillt es rot hervor während er seinen Hinterkopf mit der Hand festhält.
Die Armbrust ist sehr schwer. Unhandlich. Hesindiane hebt sie an, versucht zu zielen und lässt sie beinahe wieder fallen. Ihre Hände zittern viel zu sehr, sie kann sie nicht ruhig halten, und es gelingt ihr auch nicht, den Finger um den Abzug zu legen.

Zhandukan heult laut auf. Sein Gesicht ist eine Maske der Wut und des Selbstmitleids. Er ist jetzt in Panik. Die Geweihte hebt erneut die Waffe und holt aus, zögert jedoch. Dann bemerkt sie die alte Frau. Sie sieht sie völlig teilnahmslos aus ihrem kleinen Holzkasten heraus an, als wundere sie sich über das seltsame Benehmen der drei Kämpfenden.

Dann schlägt Praiala erneut mit aller Kraft zu. Zhandukan weicht zurück und es gelingt ihm dem Hieb zu entgehen. Im selben Moment zwingt Hesindiane ihre Finger durch den Abzugsschutz und richtet den Schaft auf ihn.

Der Junge prallt gegen den Armbrustschaft.

Hesindiane drückt den Abzug durch. Er klemmt. Sie dreht die schwere Armbrust herum, um mit dem Kolben zuzuschlagen, aber der lange Stahlbügel stößt gegen die Wand.

Praiala reißt erneut das Sonnenszepter empor und schlägt Zhandukan's schmale Hand weg, die gerade mit dem Dolch auf sie zustößt. Die Dolchspitze dringt in die Öffnung des Ärmels von Praiala's Kettenhemd ein und schlitzt Praialas ungeschützten Unterarm auf. Es fühlt sich an wie eine sehr tiefe Fleischwunde. Das scheint ihren Zorn endlich zu entfachen. Mit ihrem rechten Fuß tritt sie gegen Zhandukan's Seite und wirft ihn zurück.

Der Junge prallt rücklings zurück und stößt mit dem verletzten Kopf gegen den Türrahmen. Er presst seine blutroten Hände an den Hinterkopf. Praiala springt zur Seite auf die Schränke zu, die neben dem Fenster stehen, um mehr Platz zu haben und zu Atem zu kommen. Sie wirft einen Blick auf die Armbrust in Hesindianes Armen. Sie hat selbst schon einmal eine Windenarmbrust dieses Kalibers abgefeuert, als sie im Orkensturm die Ausbildung im II. Garether Freiwilligenregiment absolviert hat. Daher fällt ihr auch sofort die spezielle Bolzenform mit den charakteristischen Widerhaken auf. Im Schaft sitzt ein Kriegsbolzen der sich nur äußerst schwer und unter zusätzlichen Verletzungen aus der Wunde ziehen lässt. Hektisch bewegt Hesindiane den Sicherungshebel vor und zurück und hofft, dass sich der Bolzen dadurch löst. Dabei schwenkt der Schaft so wild hin und her, dass er genausogut Praiala treffen könnte wie auch Zhandukan.

Zhandukan sackt zu Boden. Er hat seinen Dolch fallen gelassen und versucht, mit beiden Händen die Blutung an seinem Kopf zu stillen. Er weint vor sich hin, sieht zur Decke und ruft mehrmals nach Baar. Dann stöhnt er auf vor Angst und Schmerz. Der Anblick des Blutes, das über seine Hände quillt, versetzt ihn in Panik, nicht zuletzt, weil es Hesindiane gelungen ist, die schwere Armbrust, die gespannt an der Wand lehnte, anzuheben und auf ihn zu richten.

Im oberen Stockwerk hört man Schritte. Eilig schlurfende, hastig voranstolpernde Schritte.

Praiala tritt zu Zhandukan und hebt den Dolch auf, der vor seinen Füßen auf dem Boden liegt.

"Bitte, Praiala", sagt Zhandukan.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Sun Dec 08, 2019 12:02 am

"Warte! Warte!", sagt Praiala hastig als sie sieht wie ungeübt Hesindiane mit der schweren Armbrust hantiert. "Gib sie mir!"
Die Geweihte steckt ihr Sonnenszepter an den Gürtel, nimmt ihrer Gefährtin die Armbrust ab und gibt ihr Zhandukan's Dolch.
"Pass auf, dass er nicht wegläuft."
Mit zitternden Händen richtet Hesindiane den Dolch auf den Hals des am Boden sitzenden Zhandukan. Er hält immer noch seinen Kopf, schluchzt und sieht Praiala bittend an.

"Herr Praios, dein Licht enthüllt jede Sünde", wiederholt Praiala im Geiste als ihr Blick den Seinen trifft. Die Flamme des Gerechten lodert in den Augen der Priesterin auf, ihr Blick dringt in den Geist Zhandukans ein, erfasst seine heimlichen, geheimsten und verborgensten Gedanken und schaut schließlich noch darüber hinaus in die Seele des Jugendlichen.
Für einen kurzen Augenblick formen sich vor ihrem geistigen Auge Bilder. Wie durch einen Höllenschlund stürzt eine Flut entsetzlicher Visionen auf die Geweihte ein: Brutale Raubmorde. Grausamste Folter und Verstümmelungen. Immer zusammen mit einer Gruppe von Jugendlichen, allen voran Baar und Hazitai. Ein nächtlicher Einbruch in einen Tempel sticht heraus. Ein verängstigter Priester der in seinem Schlafgewand aus dem Bett gezerrt wird. Das nass glänzende Nachthemd des Geweihten das von Funken entfacht plötzlich entflammt. Der Rücken des in Brand stehenden Priesters der durch die Gebetshalle rennt und an der doppelflügeligen Tür rüttelt die sich nicht öffnen lässt. Ein in Flammen stehendes Tempelgebäude das sich entfernt, begleitet von nahem Johlen und Schreien.

Der Strudel gräßlicher Bilder nimmt Praiala beinahe den Atem. Nach Luft ringend gelingt es ihr sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Zhandukan zuckt von einem plötzlichen Schmerz und erhebt sich unvermittelt mit einer Drehung um sich vom karmalen Blick der Geweihten abzuwenden.
Vor Schreck stößt Hesindiane reflexartig den Dolch in den Hals des Jungen. Die scharfe Klinge fährt ganz durch, bis der Griff gegen den Adamsapfel stößt und dort hängen bleibt.
Hesindiane taumelt zu Seite. "Tut mir leid, Scheiße. Scheiße."

Die alte Frau sagt etwas in ihrer fremdartigen Sprache. Sie nickt zustimmend mit ihrem kleinen weißhaarigen Kopf, und ihre Augen lächeln sie über den Küchentisch hinweg an.

Der Junge gibt ein grässliches gurgelndes Husten von sich und taumelt wild durch die Küche. Sein Blut spritzt in alle Richtungen, dann stolpert er in Richtung Tür, als hoffe er, dort draußen jemanden zu finden, der ihm helfen könnte.

Schwere Stiefel dröhnen durch den Korridor im ersten Stock, dann trampeln sie die Stufen hinunter. Baar.

Zhandukan erreicht die Ausgangstür und stößt sie auf, wie jemand, der dringend an die frische Luft muss, weil ihm schlecht geworden ist.

Hesindiane geht ängstlich hinter dem kastenartigen Küchentisch in Deckung. Vielleicht wird sie so vom Gang aus nicht gleich gesehen.

Praiala hebt die Armbrust in ihren Händen und starrt sie an. Jetzt bemerkt sie den kleinen Stahlstift neben dem Abzug. Sie stemmt die schwere Windenarmbrust mit dem Lauf nach unten auf den Boden und fasst nach dem Stift, um ihn aus der Sicherungsposition zu schieben.

Die schweren Stiefel trampeln die letzten beiden Stufen hinunter und nähern sich durch den Korridor. Baar wird langsamer, er will sich offenbar beruhigen, aber er ist viel zu aufgeregt. Praiala legt die schwere Armbrust an und zielt auf die Mitte der Türöffnung. Es kostet sie viel Selbstbeherrschung die lange schwere Waffe ruhig und gerade zu halten.

Kaum hat sie den Lauf auf den Eingang gerichtet, kommt Baar auch schon in geduckter Haltung in die Küche, um sich nicht den Kopf am Türrahmen zu stoßen. Er bemerkt Praiala erst, als es schon zu spät ist. Einen kurzen Moment lang sehen sie sich direkt in die Augen. Baar zuckt zusammen, dann runzelt er verwundert die Stirn, und in diesem Augenblick zieht Praiala den Abzug durch und schießt.

Die Windenarmbrust schlägt gegen ihre Schulter, aber nicht zu heftig. Der Peitschenknall der Sehne ist jedoch ohrenbetäubend. Praiala hört ein Pfeifen in ihren Ohren. Die alte Frau schreit auf.

Baar hockt auf allen vieren auf dem Boden. Sein Kopf hängt herab, seine Haare verdecken das Gesicht, er schnappt nach Luft, sein breiter Rücken zittert. Seltsamerweise kriecht er auf die Eingangstür zu, die nun weit offen steht.

Praiala rutscht auf dem Boden aus und schaut nach unten. Ihr Fuß ist nass und rot vom Blut. Es ist ihr eigenes Blut, das von der Achsel über ihre Hüfte und ihr Bein hinabrinnt. Sie spürt nur einen kleinen Schmerz, aber beim Anblick des vielen Blutes wird ihr schwindelig. Sie blickt über die Schulter zur Treppe hin. Aber Hazitai kommt nicht herunter. Oben ist es ganz ruhig.

Baar gelangt an der Tür an und fällt auf den Rücken. Er liegt halb draußen und halb im Turm. Sie starren sich an. Er schnauft laut, bringt aber kein Wort heraus. Praiala hatte gar nicht bemerkt, dass der Lauf der Armbrust so tief gerichtet war, als sie auf Baar geschossen hat, aber sie hat ihn genau in den Unterleib getroffen. Baar presst seine Hand dorthin, wo sich eine dunkle flüssige Masse immer weiter ausbreitet.

Die Geweihte zieht ihr Sonnenszepter.

"Praiala, hör auf!", kommandiert er mit seiner tiefen Stimme. Obwohl er immer viel weiße Schminke im Gesicht gehabt hat, hat Baar noch nie so blass ausgesehen.

Praiala schüttelt den Kopf. Sie schluckt, bringt aber nichts heraus.

"Nicht, Praiala. Ich will nicht, dass du das tust."

Baar sieht sie an. Er ist völlig verängstigt. Praiala starrt den großen Kerl an, der da vor ihr liegt und im Todeskampf zittert. Er kann kaum älter als zwanzig Götterläufe sein. Baar fängt an zu weinen. Praiala kann ihm nicht in die Augen sehen. Auch sie fängt an zu weinen, sie kann es nicht verhindern. Sie bedauert zutiefst, was sie Zhandukan und Baar angetan hat. Jeden Augenblick könnte sie zusammenbrechen.

Praiala hört auf zu weinen. Jetzt packt sie wieder die Wut. Sie schluckt und stößt hervor: "Ron und Quin wollten auch leben, Baar. Sie wollten ihre Kinder wiedersehen." Sie räuspert sich und spuckt aus. "Ihr habt euch für einen Weg aus Zerstörung, Finsternis und Frevel entschieden. Was hast du gedacht wo das hinführt? Ihr werdet für eure Taten gerichtet. Von Boron."

Sie räuspert sich erneut und mit starker Stimme sagt sie: "In Verzweiflung und Finsternis! Siegt das Licht!"

"Nein, Praiala", sagt Baar mit einer Stimme, die nicht mehr so tief klingt. Praiala hebt das Sonnenszepter und betet unbeirrt weiter.

"Gegen Frevler und Mörder! Siegt das Licht!"
Baar hebt abwehrend eine Hand. Die Handfläche ist nass und rot.

"Durch Feuer und Schwert! Siegt das Licht!"
Praiala's Sonnenszepter schlägt durch seine Finger hindurch und trifft seinen großen Kopf sauber mit einem dumpfen Knirschen. Ein Wirbel aus schmieriger Flüssigkeit vermischt mit Knochensplittern platzt aus der Wunde in dem eingeschlagenen Schädel, den Praiala lieber nicht näher betrachtet.

Praiala steigt über Baar hinweg, der unter ihr noch immer zittert und zuckt. Aber Praiala macht sich keine Sorgen, dass er jemals wieder aufstehen wird.

Die Geweihte zieht die Nase hoch, an ihrem Mund und am Kinn klebt Schleim. Sie wischt sich mit dem Unterarm das Gesicht ab.

Zhandukan liegt ein paar Schritt vom Turm entfernt auf der Seite und bemüht sich noch immer voranzukommen. Er schiebt sich mit einem Arm immer weiter über den Boden auf die Bäume zu. Einfach nur, um hier wegzukommen. Praiala folgt ihm. Im Gras ist jede Menge Blut zu sehen.

Dann hält Praiala inne, dreht sich um und schaut hinauf zu den Fensterlöchern in der Fassade des finsteren Turmes. Sie bemerkt das weiße runde Gesicht von Hazitai. Sie blickt durch das kleine Fenster des Zimmers, in dem sie Praiala gefangen gehalten haben. Ihr Gesicht ist eine einzige Maske des Schreckens. Sie starren einander an, dann verschwindet sie im Zimmer.

"He", sagt sie zu Zhandukan. "He!"

Zhandukan sieht zu ihr auf. Seine Augen stieren glasig aus dem verschmierten Gesicht. Über sein Kinn läuft ein Schwall Blut und ergießt sich auf den Arm. Mit einer Hand umklammert er noch immer den Griff des Dolchs, der in seinem Hals steckt und sich auf und ab bewegt.

Praiala blickt zu den Bäumen. Ihr ist schwindelig und übel. Dann blickt sie zu dem überwucherten Obstgarten und sieht die zweispännige Kutsche mit den großen Speichenrädern und den großen Kastenwagen.

"Ich könnte die Pferde vor die Kutsche spannen. Dich hinein packen. Und wie eine Irre losfahren, nur wohin … Keine Ahnung, wohin dieser Weg führt, aber irgendwo muss man ja hinkommen. Bereust du deine Taten Zhandukan?"

Zhandukan stützt sich auf einen Ellbogen. Er keucht und würgt, aus seinem Hals sprüht eine Mischung aus Luft und Blut, ein roter Nebel, wenn er nach Luft schnappt oder ausatmet.

Praiala schaut wieder zum Turm und fragt sich, ob Hesindiane in ihrem Vesteck halbwegs sicher ist. Im Inneren des düsteren Gebäudes scheint sich nichts zu bewegen, aber Hazitai wird sicherlich bald etwas unternehmen. Von der Wiese aus kann sie durch die geöffnete Eingangstür sehen und bis zu dem Flur. Nirgendwo bewegt sich etwas.

Sie schaut wieder auf Zhandukan hinab. Praiala will etwas sagen, unbedingt. Sie muss sich diese Situation erklären. Es kommt ihr vor, als würde sie etwas tun, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Sie handelt nur instinktiv. Aber woher kommen diese Instinkte bloß?

"Es ist zu spät", sagt sie zu Zhandukan und ist selbst überrascht, dass ihre Stimme ungewöhnlich fest und entschlossen klingt. "Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen. Ihr seid zu weit gegangen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr."

Zhandukan hat womöglich gar nicht zugehört. Er versucht, auf Praialas Bein zuzukriechen.

"Ihr habt gekidnappt, ihr habt gemordet.
Irgendwann muss man für alles einstehen, die Konsequenzen tragen. Das habe ich Baar auch gesagt. Darüber habt ihr nie nachgedacht, oder? Selbst wenn man euch gefasst hätte, hättet ihr erwartet, dass man euch als etwas Besonderes behandelt. Das haut mich am meisten um. Und ihr hättet aufgrund eures Alters vom Gericht in Gareth wahrscheinlich auch noch eine besondere Behandlung bekommen."


Zhandukan schnappt hilflos nach Luft. Er versucht, Praialas Bein zu packen, wird aber von einem Krampfanfall daran gehindert. Praiala hebt erneut das Sonnenszepter, zielt auf den Kopf und schlägt mit aller Kraft zu.

Dann dreht sie sich um und geht zum Turm zurück. Vor dem Eingang hält sie kurz inne, bleibt neben Baar stehen, links neben der Tür, und späht in die Küche. Baar bewegt sich nicht mehr, aber sein Blut bildet eine große Lache. Praiala ist übel. Sie will das alles möglichst schnell hinter sich bringen.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Tue Dec 10, 2019 9:45 am

"Hazitai!"

Aus den oberen Stockwerken kommt nicht das leiseste Geräusch.

Was tun, was tun, was tun.

Munition. Praiala steigt über Baar hinweg und geht zurück in die Küche. Auf einer Komode erblickt sie eine lederne Bolzentasche. Wie viele Bolzen sind noch übrig? Neun. Die schwere Armbrust besitzt eine Winde um sie zu spannen. Aber Praiala weiß, wie lange sie dafür benötigen würde. So etwas dauert immer ziemlich lange. Sie gibt die Armbrust Hesindiane, die sich immer noch hinter dem kastenförmigen Küchentisch kauert.

"Hazitai! Baar ist tot. Deine Freunde sind tot. Kannst du mich hören?"

Stille.

Sie hebt ihren Waffenrock am Hals an und sieht durch den Ausschnitt ihrer Rüstung an ihrer Achsel hinab. An der Verletzung klafft das Fleisch auf wie ein lippenloser Mund. Das herausströmende Blut hat den wattierten Waffenrock rot verfärbt. Neues Blut auf altem Blut. Sie kann den Anblick nicht ertragen. Die Dolchklinge ist auch in ihren Unterarm gedrungen. Als sie den Arm abwinkelt, um diese Wunde in Augenschein zu nehmen, wird ihr schwindelig, kalt und übel.

Sie sieht die alte Frau an, und sie sieht sie an. Sie hockt noch immer in ihrem kleinen Bettkasten neben dem Herd. Und scheint noch etwas von ihr zu erwarten, unzufrieden mit ihr zu sein. Sie hat noch einiges zu tun, die Arbeit ist noch nicht erledigt. Aber wie, will sie sie fragen, obwohl sie sie ja nicht versteht und kaum antworten kann. Sie will nicht diese schmale Treppe hinaufgehen und dort die kleinen Zimmer mit den niedrigen Decken durchsuchen. Das Mädchen wird sie womöglich dort oben erwarten, irgendwo im Dunkeln lauern, mit einem scharfen Messer. Die Schlampe.

Und was soll sie mit diesen Wunden machen? Sie will schon auf ihre Achsel deuten und der alten Frau den klaffenden Schnitt zeigen, als die Alte mit dem Kopf zur Wand gegenüber dem Herd weist. Dann nickt sie ihr mit ihrem lederigen Schrumpfkopf zu. Praiala sieht sie fragend an. Sie nickt erneut und hebt den Kopf, öffnet den Mund und entblößt ihre dunklen Zähne.

Praiala schaut zur Wand, und im gleichen Moment hört sie das leise Knarren der Tür am anderen Ende des Flurs. Sie hebt das Sonnenszepter. Hazitai ist leise die Treppe heruntergekommen und wartet im Wohnzimmer auf sie. Und sie hat garantiert auch den toten Baar gesehen.

Die Geweihte schluckt und geht langsam auf die Küchentür zu. Dann zögert sie. Fragt sich, ob sie wirklich ins Wohnzimmer gehen sollte. Vielleicht wartet Hazitai ja auch im Flur auf sie. Ja, die Tür ist bewegt worden. Sie ist sich sicher, dass sie sie nicht so halb offen gelassen hat. Oder sie ist eben doch von allein so weit aufgeschwungen und das Mädchen ist gar nicht die Treppe heruntergekommen, sondern versteckt sich immer noch im oberen Stockwerk.

Sie hält den Atem an, bückt sich und geht auf die Eingangstür zu, steigt über Baar hinweg und tritt auf die Wiese. Dann streckt sie sich und sieht durch das kleine Fenster ins Wohnzimmer. Es ist zu dunkel dort drin, um von hier aus etwas zu erkennen.

Sie geht näher an das kleine Fensterloch heran, setzt einen Fuß auf die hervorstehenden Steinquader der verwitterten Fassade, die dabei leicht abbröckeln. Hazitai erscheint so plötzlich vor ihr, dass Praiala beinahe laut aufschreit.

Sie steht da zwischen den Musikinstrumenten der Jugendlichen, vornübergebeugt und starrt zu Boden. In dieser Haltung kann sie sie am Fenster nicht bemerken. Sie trägt eine abgewetzte, lederne Hose und eine schwarze Bluse und horcht angespannt an der Tür des Wohnzimmers. Klammert sich an den Griff, bereit die Tür aufzureißen und sich auf die Geweihte zu stürzen, wenn sie eintritt. Vielleicht plant sie auch, die Tür zuzuschlagen, um Praialas Waffe einzuklemmen. Oder sie will hinauskriechen und sie von hinten überraschen, wenn sie am Zimmer vorbeikommt. Gar nicht dumm. Sie will sie. Hat sie immer gewollt. Keine Frau hat sich je so sehr nach ihr gesehnt – um sie umzubringen.

Praiala kocht innerlich, Schweiß strömt über ihr Gesicht. Sie humpelt über die Wiese zur Seite und späht durch ein anderes Fenster in den Flur. Sie hört ihre Schritte, die sich leise durch den Turm bewegen, irgendwo dort im Dunklen. Aber sie kann die Treppe noch nicht erreicht haben. Wahrscheinlich ist sie in die Küche gegangen.

Praiala geht weiter am Turm entlang, das Sonnenszepter zum Schlag erhoben. Sie wird diese Schlampe in der Küche erledigen, bevor sie Hesindiane etwas antun kann. Sie spürt einen Eifer in sich, der schon an Erregung grenzt. Ihr ganzer Körper vibriert, und sie schwitzt heftig.

Da ist sie ja. Sie schlüpft gerade durch die schmale Hintertür der Küche. Sie sieht sie durch ein Fenster.

Praiala stolpert taumelnd voran, ihr Atem geht heftig, das Blut rauscht in ihren Ohren. Sie rennt mit erhobener Waffe am Turm entlang. Sie spürt den unbarmherzigen Drang, sie zur Strecke zu bringen. Vorsichtig geht sie um die Ecke und tritt auf die Wiese dahinter, die zu dem kleinen Obstgarten führt. Sie sieht sich hastig um und ist auf alles gefasst.

Niemand zu sehen.

Dort bewegt sich etwas. Im Obstgarten, hinter der Kutsche. Sie ist ganz schön schnell. Sie verschwindet zwischen den Bäumen jenseits des Feldwegs.

"Bei Praios’ ewigem Glanz ...", Praialas Sicht verschwimmt, als sie in ihre Richtung späht und das Zeichen des Auges schlägt. Die Hände zittern vor Aufregung. Sie blinzelt, um den ätzenden Schweiß aus den Augen zu bekommen, lässt die schwere Waffe zu Boden gleiten und versucht sich auf die karmale Kraft zu konzentrieren und einen Blendstrahl herabzurufen. Sie muss sie nur ein paar Sekunden lange sehen können. Da ist sie wieder. Dann verschwindet sie erneut aus ihrem Blickfeld. Sie ändert die Richtung, schlägt Haken. Ihre flinken Beine arbeiten sich durchs Unterholz.

Schließlich sieht sie nur noch ihre Umrisse als sie zwischen den dunklen Baumstämmen verschwindet, in Richtung des Feldweges. Dann ist sie nicht mehr zu sehen.

Verdammt.

Sie dreht sich um und geht eilig zum Turm zurück, die eine Hand immer auf die klaffende Wunde an ihrer Achsel gepresst.

Dann bleibt sie abrupt stehen. Dreht sich um und geht zurück zu dem Sonnenszepter, das sie ins Gras gelegt hat. "Scheiße." Sie kann nicht mehr klar denken. Sie ist völlig benommen vor Hunger und Durst. Je mehr die Aufregung von ihr abfällt, umso müder und erschöpfter fühlt sie sich. Dann aber durchzuckt sie wieder der eiskalte Überlebenswille und peitscht neues Adrenalin durch ihre Adern. Und so geht es hin und her, hin und her. Ihre Beine sind bleischwer. Sie kann kaum noch klar sehen. Sie spuckt aus und geht weiter.

Als sie in die Küche zurückkommt, ist Hesindiane noch da, unverletzt. Doch die alte Frau ist verschwunden.

Es gibt keinen Wasserbottich. Aber sie findet einen großen Holzkrug, mit dem Wasser aus dem Brunnen in den Turm transportiert worden ist. Wo der Brunnen ist, hat sie bislang noch nicht herausgefunden. Sie hebt den Krug an den Mund und trinkt gierig das lauwarme Wasser, bis ihr Magen sich zusammenkrampft und sie alles wieder ausspucken muss. Auch Hesindiane geht es nicht viel besser.

Es gibt auch eine Speisekammer. Darin ist es dunkel und kühl. Sie entdecken einige Laibe Schwarzbrot, teilen einen davon und beissen in die harte Kruste. Praiala saugt mehr daran, als dass sie wirklich etwas abbeißt. Das Brot ist grobkörnig und schmeckt nach Blut. Auch Pökelfleisch liegt dort, und sie bemerkt einen Sack mit Roten Beeten, außerdem Tonkrüge mit allerlei eingelegtem Gemüse und Obst, die auf einem Regal aufgereiht nebeneinander stehen, daneben ein paar verschrumpelte Äpfel, Salz sowie weiße Rüben und Karotten.

Egal, sie braucht zuerst Verbandszeug für ihre Wunden und warme, wetterfeste Kleidung für Hesindiane, sie hat nur eine zerschlissene Bluse und eine lederne Hose an und draußen ist es kalt.

Sicherlich hat die Bande hier im Turm entsprechende Vorräte.

Ganz langsam steigt Praiala, dicht gefolgt von Hesindiane, die Treppe hinauf ins erste Stockwerk, vorsichtig und die ganze Zeit bemüht, die klaffende Wunde an ihrer Achsel geschlossen zu halten. Sie muss sie dringend reinigen und verbinden. Am Ende der Treppe dreht sie sich einmal um die eigene Achse. Vielleicht ist Hazitai ja zurückgekommen und hat sich nach oben geschlichen. Wahrscheinlich nicht, aber sie spürt, wie sie sich anspannt, und fühlt sich so zerbrechlich, als müsse sie beim geringsten Geräusch in ihrer Nähe zerspringen.

Sie gehen den Korridor entlang. Werfen einen Blick in eines der Zimmer. Auf dem Boden liegen mehrere Schlafsäcke. Überall liegen Klamotten verstreut herum. Unordentliche, schmutzige und großspurige Jugendliche. Sie gehen hinein und suchen nach etwas Warmem für Hesindiane. Dann wendet Praiala sich jäh um und schnapp nach Luft. Beinahe schreit sie laut auf, als sie die drei Tiermasken sieht, die sie am ersten Tag ihrer Gefangenschaft getragen haben. Sie stehen nebeneinander auf einem uralten rohen Tisch, der aussieht, als wäre er von Barbaren gezimmert worden. Drei hässliche Fratzen, die sie anstarren. Haben sie diese Tierköpfe mitgebracht oder hier gefunden?

Ihre Kleider stinken nach Schweiß und anderen Körperausdünstungen. In dem Durcheinander auf dem Boden finden sie eine gefütterte Jacke aus Leder. An den Schultern ist sie mit Nägeln gespickt, an der Hüfte und den Ellbogen mit Nieten beschlagen, aber sie passt und ist warm.

Wieder im Korridor wirft Praiala einen Blick in ihr altes Zimmer und zu der kleinen Tür, hinter der die schmale Treppe bis ganz oben auf den Dachboden führt. Sie horcht. Eine Stimme ist zu hören. Was ist das? Sie geht auf die Tür zu, aber die Stimme wird schwächer. Sie merkt, dass sie nicht von oben, sondern von draußen kommt. Da singt jemand.

Sie geht zurück ins Zimmer und sieht durch die kleine Fensterluke. Im Obstgarten ist niemand zu sehen. Sie hält inne und horcht wieder. Der Gesang kommt von der anderen Seite des Turmes. Da sie es nicht über sich bringt, den Raum, in dem sie sie gefangen gehalten haben, zu betreten, steigen die beiden Frauen wieder die Treppe hinab. Praiala kommt atemlos, benommen und mit heftig schmerzenden Wunden in der Diele an.

Sie hebt die geweihte Waffe und geht auf die Küchentür zu. Die Tür zum Wohnzimmer ist noch immer geschlossen. Die Küche, das sieht sie nach einem kurzen panischen Blick, ist leer. Die Eingangstür steht offen.

Während Hesindiane im Turm bleibt steigt Praiala über Baar hinweg und geht nach draußen.

Die alte Frau steht neben der verkohlten Feuerstelle des Scheiterhaufens. Sie trägt ihr hochgeschlossenes schwarzes Kleid und schaut zum Waldrand. Der regungslose Körper von Zhandukan, der auf der Wiese liegt, scheint sie nicht weiter zu interessieren. Sie ist zwar sehr klein, aber ihre Stimme ist kräftig und hallt weit in den Wald hinein. Der Singsang, den sie von sich gibt, klingt beinahe wie ein tulamidisches Lied, erinnert Praiala aber gleichzeitig an die Gesänge der Schamanen. Die Melodie klettert die Tonleiter auf und ab, die Worte klingen fremdartig. Mit ihren kleinen Händen klatscht sie einen Rhythmus dazu. Der Gesang ist schlicht und wiederholt immer die gleichen Muster, wie bei einem Kinderlied. Wenige, immer gleiche Worte, die gleichen Töne, auf und ab, auf und ab. Schließlich erkennt sie intuitiv ein Wort: "Moder."

Dieses eine Wort wiederholt sie immer wieder am Ende des aus wenigen Worten bestehenden Verses: "Moder."

Mutter.

"Nein", murmelt sie entsetzt vor sich hin. "Bitte nicht."

Schlagartig, als würde man ihr einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gießen, begreift sie, was hier im Gang ist. Sie wiegt den Kopf hin und her, benommen und wie in Trance, und fragt sich, ob sie womöglich schon in den Niederhöllen angekommen ist. Kein Mensch könnte so etwas ertragen. Ist sie vielleicht doch zusammen mit ihren Gefährten draußen im Wald gestorben und in einem endlosen Alptraum der Finstersphären angelangt?

Sie ergreift mit beiden Händen den Schaft ihrer Waffe und hebt das Sonnenszepter.

"He, aufhören. In Namen des Herren Praios! Aufhören hab ich gesagt!"

Sie singt wie ein Kind, wie ein kleines Mädchen, hebt den Kopf und reckt die Arme in den Himmel. Sie starrt in den Himmel und ruft einen uralten Namen.

Wenn es so weit ist, wirst du dann mit uns singen?

Sie hat schon ein- oder zweimal den Verdacht gehabt, dass sie sie nur benutzt, aber sie hat nicht gewagt, es sich wirklich einzugestehen. Das passt einfach nicht zu einer solchen kleinen seltsamen Dame, die Eintopf kocht und in einem selbst geschneiderten Kleid in ihrem Heim herumtapst. Aber sie hat sie benutzt. Um die ungebetenen Gäste aus dem Turm zu bekommen. Sie sollte sie ihr vom Hals schaffen, und nun liegen sie verblutet auf dem Boden. Die ganze Bande hat sich hier eingenistet, ohne zu fragen, und wollen nicht mehr gehen. Sie ist zu alt, um sie selbst zu vertreiben, also hat sie Hilfe gesucht. Zhandukan ist ein bösartiger Kerl, dem sie alles Schlechte wünscht, das hat Praiala gleich in ihren kleinen schwarzen Augen erkannt. Sie hat die Bande von Jugendlichen eine Weile herummachen lassen, damit sie sich in Sicherheit wiegen. Aber dann hat sie die Gefangene befreit, damit sie ein paar Dinge für sie erledigt. Sie hat den Wald überlebt und den Terror dieser Jugendlichen, weil sie eine Aufgabe für sie hat. Weil sie die Stärkste und Zäheste gewesen ist. Zusammen mit den zwei Männern, die hierhergekommen waren, um alte Artefakte zu finden, war sie diejenige, die den Räubern die ihren Turm besetzen am ehesten gewachsen ist. Sie konnte sie für ihre Zwecke einspannen, jedenfalls für eine Weile.

Sie hat sie von Anfang an manipuliert, damit sie ihre Rolle spielt, sie musste sich zwischen Bäumen, Felsen und im Unterholz verlaufen, sie musste den Weg gehen, den ihre Vorfahren mit ihren Opfern gegangen sind. Und nun, nachdem sie die Angelegenheit für sie erledigt hat, ruft das kleine Mädchen nach ihrer Mutter. Weil sie noch immer geopfert werden soll. Deshalb hat sie ihr das Gewand und die Blumenkrone hingelegt.

"O Herr Praios, bitte das nicht."

Mit zittrigen Armen hält sie das Sonnenszepter und nähert sich der kleinen Gestalt, die ihr den Rücken zukehrt während sie zu ihrem Gesang hin und her hüpft.

All das kann doch einfach nicht wahr sein. Sie denkt an Ron, der direkt vor ihr aus ihrem Zelt weggeschleift wurde und dann blass, besudelt und nackt zwischen den Ästen hing. Sie erinnert sich an die Arme von Quin, die auf ihren Schultern gelegen haben, bevor er aufgeschlitzt und ausgenommen wurde wie ein erlegtes Tier von einem Jäger. Und sie erinnert sich an die dünnen kleinen Gestalten, die sich wie Puppen bewegen, dort oben auf dem Dachboden, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Sie beisst die Zähne zusammen, um nicht von diesem ganzen Horror überwältigt zu werden. Macht zwei weite Schritte auf sie zu, holt weit aus und schlägt mit aller Kraft zu.

Die alte Frau gibt einen überraschten Schrei von sich, als würde sie von hinten gestoßen und alle Luft mit einem Mal aus ihr entweichen. Sie wird von dem Schwung des kraftvollen Hiebes mitgerissen, zu Boden geschleudert und fällt direkt aufs Gesicht. Und bewegt sich nicht mehr. Sie hat sie direkt ins Genick getroffen.

Praiala hält noch mit bebender Hand die schwere Hiebwaffe und schaut auf die alte Frau herab.

Der Saum ihres schwarzen staubigen Kleids ist über die Knie gerutscht. Ihre Beine sind spindeldürr und mit struppigen weißen Haaren bedeckt. Die Haut ist rosig. Die Beine sind an den Knien eigenartig geformt, wachsen in die falsche Richtung. Und am Ende ihrer Ziegenläufe sind kleine weiße Hufe zu sehen. Deshalb sind ihr ihre Schritte so unnatürlich laut erschienen.

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Re: Game Thread (IC)

Post by Idrasmine » Tue Dec 10, 2019 2:35 pm

Praiala kniet mit dem Sonnenszepter über den Oberschenkeln im Gras, genau zwischen dem toten Zhandukan und der Leiche der alten Frau, und schließt kurz die Augen.

Wird sie jemals wieder aufstehen können? Das muss sie doch. Sie braucht einen Verband, irgendetwas weiches Sauberes, das sie unter ihrer Schulter und über ihre Brust binden kann. Sie spürt, wie die klaffenden Wunden sich öffnet und schliesst, wenn sie sich bewegt und atmet. Ihr Arm wird langsam steif, sie kann die schwere Waffe kaum noch heben. Sie wird immer langsamer, sie kann nicht mehr. Sie ist völlig außer Atem. Sie würde um einen Heilungssegen beten aber in diesem von den Dämonen verfluchten Wald wäre auch das nicht mit viel Erfolg gesegnet.

Sie dreht den Kopf und sieht zum Turm und hinauf zu dessen spitzem Dach. Sie ist noch immer nicht am Ende. Sie steht auf und zuckt zusammen vor Schmerzen. Das Geben und Nehmen, dieser ganze sinnlose Opferritus muss beendet werden. Die Tür zu diesem Wahnsinn muss endgültig geschlossen werden. Baar hat von diesem Ort hier gewusst, also könnten auch andere davon wissen. Die anderen Jugendlichen Banditen werden vielleicht wieder hierher zurückkehren, obwohl Praiala vermutet, dass die Alte für diese auch ihre eigenen Vorkehrungen getroffen hat um sie zu beseitigen. Sicher war ihr auch klar, dass sie zurückkommen werden. Im Namen des Götterfürsten, die Grenze zwischen dieser Welt und den Niederhöllen ist an diesem Ort dünner als anderswo. Hier gehen Dinge ein und aus, die den Finstersphären entspringen. Das muss ein Ende haben.

Ihre Gefährten sind abgeschlachtet worden wie Freiwild bei einer Treibjagd im Herbst. Sie sind gejagt, erlegt, ausgenommen und in die Bäume gehängt worden.

Warum hat die alte Frau dieses Ding nicht gerufen, um die Eindringlinge loszuwerden? Praiala schliesst die Augen. Ein Schauer läuft über ihre Haut. Ihr Kopf schmerzt, als sie darüber nachgrübelt. Aber es ist niemand mehr hier, der ihr Auskunft geben könnte. Nicht hier draußen. Sie denkt nach und zuckt zusammen wie ein verwundetes Tier.

Wegen der Waffen? Was wenn es gar kein Dämon sondern eine uralte Chimäre ist? Dann wäre es womöglich von den jungen Banditen verletzt worden. Sie wollte es schützen. Es ist ihre Mutter. Außerdem wollte sie ihre uralte Familie auf dem Dachboden vor Unheil bewahren. Ein Anderer musste die Sache für sie erledigen. Und das ist sie gewesen. Vielleicht passt so alles zusammen.

Aber für sie ist klar, dass diese Dinge in der Weltenordnung keinen Platz haben. Vor dem Auge des Götterfürsten von dieser Welt getilgt werden müssen. Sie schlägt die Augen wieder auf.

Die Herrschaft von Moder und ihren armseligen Anhängern muss beendet werden. Vermutlich hat ihre jüngste und am ehesten vorzeigbare Tochter ihr Bestes gegeben, um den Kult hier in der Brache, der schon so viele Jahrhunderte existiert, am Leben zu erhalten. Vielleicht ist sie die Tochter gewesen, die sich um ihre Mutter kümmerte. Das kann sie nicht mit Bestimmtheit sagen, sie kann sich das alles nur irgendwie zusammenreimen. Aber auf jeden Fall muss damit Schluss gemacht werden. Das Jagen und Morden der Bestie muss ein Ende haben. Sie wird keine Menschen mehr ausweiden und in die Bäume hängen. Und nie mehr soll dieser Ort dafür verwendet werden menschliche oder tierische Leiber mittels dämonischer Kräfte ineinander zu verschmelzen und solche Unkreaturen zu erschaffen. Nicht mehr, nie mehr!

Praiala geht zum Turm zurück. Die Baumwipfel beginnen sich zu bewegen. Der Himmel ist jetzt vollkommen weiß, aber die Geweihte ist dankbar, dass es zu regnen beginnt. Die Tropfen fallen dicht und heftig. Es wird kalt. Um diese Jahreszeit regnet es doch sowieso ständig. Und wenn es nicht regnet, dann schneit es.

Vor der Eingangstür steigt sie über Baars toten Körper, packt ihr Sonnenszepter fester und sieht durch den Flur zur Treppe, die nach oben führt. Dann blickt sie auf Hesindiane. Ihre Blicke treffen sich und die Geweihte erkennt in ihren Augen die gleiche Entschlossenheit.

Sie geht durch die Tür am Ende des Flurs im ersten Stock und steigt ganz bis zum Dachboden hinauf. Langsam und mit festen Schritten, so dass sie sie bestimmt alle kommen hören. Als sie oben in der warmen, staubigen und zeitlosen Dämmerung ankommt, ist allen klar, dass sie wegen ihnen gekommen ist.

Sie starrt in die Dunkelheit, verletzt und blutend. Dann entzündet sie das Licht ihrer Sturmlaterne.

Als das Licht in den Raum fällt erkennt Praiala die kleinen, schmale Körper die die Steinwände auf beiden Seiten säumen, angelehnt dastehen oder mit gekreuzten Beinen auf dem Boden hocken. Ihre glatten, haarlosen Köpfe ohne Haare wenden sich teils ab, teils starren sie mit ihren pergamentenen Gesichtern wie Schlafende starr geradeaus. Ihre kleinen, knochigen Körper sind nicht mehr als von uralten, staubigen Stoffresten verhängte Skelette.

Das Geräusch des Regens, der aufs Dach prasselt, hallt in dem Dachboden wider. Trotzdem kann sie sie um sich hören. Es klingt wie ein Knistern oder Kratzen. Und diesmal lachen sie nicht. Sie klingen verwirrt wie alte Leute, die in ihrem Bett aufgewacht sind und sich nicht erinnern können, wo sie sich befinden.

"Ihr habt sie auf dem Platz zwischen den Steinen umgebracht", flüstert die Geweihte. "Ja, ihr habt es mir gezeigt. Ihr habt sie auf Wagen dorthin gebracht, um sie zu töten."

Sie legt ihre Hand auf einen sich langsam hin und her bewegenden kleinen Schädel, hebt das Sonnenszepter und schlägt zu.

Die Waffe dringt durch die Haut, die kaum fester ist als mürbes altes Papier, durch den Schädel, dessen Knochen kaum dicker sind als eine Eierschale, und dann weiter durch die Überreste des Gehirns. Vielleicht wurde dieses Wesen von einem alten Zauber am Leben erhalten, aber mit diesem einen Hieb der geweihten Waffe ist seine Existenz beendet, die womöglich zu einem Zeitpunkt begonnen hat, als die hohen Bäume dort draußen noch kleine Sprösslinge waren. Die anderen herumsitzenden Gestalten bewegen sich und versuchen, sie in die Hand zu beißen. Ihre winzigen Kiefer klappern.

"Ich habe euer altes Haus gesehen. Ich bin da gewesen. Ihr habt eure Opfer über einem Becken aufgehängt. Ihr habt es mir gezeigt. Habt ihr euren Gott mit Blut gefüttert?"

Praiala hört wie sich das Gebiss der Gestalt direkt neben ihr knackend öffnet und spürt einen Biss der kaum durch ihr Kettenhemd zu dringen vermag. Vor Schreck stößt sie einen Schrei aus. Sie leisten bis zuletzt Widerstand, wie ein sterbendes Insekt, das noch im Todeskampf versucht, seinen Gegner zu stechen. Sie schlägt schnell mit der Rückhand ihre Waffe danach und spaltet den Schädel in zwei Hälften. Sie sieht, wie die beiden Teile des Schädels auf den Boden fallen und Staub aufwirbeln. Einiges davon atmet sie ein und muss husten und ausspucken.
Nein, so wird das nichts. Sie muss besser schnell mit ihnen Schluss machen.

"Im dreifach heiligen Namen Praios’, des Herrn der Sonne, dessen Gleißen den Makel der Welt auslöscht!", ruft die Geweihte voller Inbrunst.
"Im zweifach heiligen Namen Daradors, des strahlenden Wächter Alverans, dessen feuriger Atem den Frevel hinwegfegt!
Was der Ordnung der Welt spottet, kann in der Ordnung nicht sein!
Was dem Licht der Welt ein Greuel ist, kann im Lichte nicht sein!
Was das Weltengesetz bricht, kann rechtens nicht sein!
Was nicht sein kann – vergehe!"


Mit diesem Stoßgebet auf den Lippen zerschlägt die Praiotin ihre Sturmlaterne an dem Holzpfeiler neben ihr. Das brennende Lampenöl ergießt sich über den Boden. Die Reihen rasselnder und panisch flüsternder kleinen Wesen erzittern und winden sich im Staub als das reinigende Feuer schnell auf die trockenen Kleidungsstücke und die Jahrhundertealten Körper übergreift. In wenigen Augenblicken breitet sich der Brand über den ganzen Dachstuhl aus.

Gerade wendet sich Praiala zur Treppe während hinter ihr das Feuer um sich greift. Im gleichen Moment hört sie draußen im Wald ein so fürchterliches Geräusch, dass sie das Gleichgewicht verliert und zu Boden fällt.

Es ist dieses grauenerregende brüllende Bellen. Und dann ertönt wieder dieses teuflische Jipp-Jipp-Jipp.

Der feuchte Himmel, die uralten Bäume und die kalte unbarmherzige Erde wirken wie ein Resonanzraum, der nun den ältesten und durchdringendsten Schmerzensschrei verstärkt, den es auf Dere je gegeben hat, und der jeden Lebenden, der ihn hört, bis ins Mark treffen muss. Der Schrei einer Mutter.

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